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Kultur: Getippt, geliebt, gesehnt

„Sekretärinnen“ – ein Schlager-Musical sprühenden Witzes / Zu sehen auf dem Theaterschiff

„Sekretärinnen“ – ein Schlager-Musical sprühenden Witzes / Zu sehen auf dem Theaterschiff Von Gerold Paul Sieben Tische mit sieben roten Glühbirnen, sieben Schreibmaschinen unterschiedlichen Fabrikats, sieben flotte Damen, dazu ein Mädchen für alles – das war der Mann mit Hut und blauem Kittel – dieses dienstbereite, fesche, fröhliche und erotisch-explosive Personal treibt auf dem Theaterschiff sein sangesfrohes Wesen. Die quicke Stadt-Spiel-Truppe von der Havel glühte richtig auf, als HOT-Schauspielerin Gisela Leipert daran ging, sich zum Spaß und aller Welt zur Freude Franz Wittenbrink“s „Sekretärinnen“ (wie man eine zum Willkommen als Puppe auf dem Vorderschiff sieht) zu inszenieren: ein „Schlager-Musical“ sprühenden Witzes und geistvoller Paraden, Karikaturen und Parodien, aber auch mit Herz und Schmerz, Schmelz und Liebe, die ja noch immer „In einem kühlen Grunde“ wohnt. Ein Tippsen-Büro (Bühne von Thorsten Walenta) irgendwo, ein unsichtbarer Chef, der per Glühbirne und Hupe zu Diensten ruft. Alle Mädels treffen pünktlich ein, bis auf eine, die schluchzend-sentimentale Heul-Suse des Hauses. Jede hat ihr eignes Kleid gewählt, von hoffnungslos altmodisch bis zum vorletzten Modeschrei. Alle spiegeln in der 75-Minuten-Inszenierung auch eigenes Profil und Gesicht, Sex-Appeal und Nostalgie. Musikalisch war so ziemlich alles dabei, was das Herz erfreuen kann, von „Ein Schiff wird kommen“ über den elementar-maskulinen „Neandertaler“, Grönemeyers „Männer“, klar, US-Rap, bis sich das Oberdeck fast hob, in „Casanova! Hörst Du mich!“ mit tollen Echos (alle) aber die Sehnsucht des Weibes ad hoc, oder heißt er doch nur „Waldemar“? Ivonne Döring, Constanze Jungnickel, Claudia Herold, Anke Orschinak, Julia Struwe, Diana Wintrich und Jana Zehle gaben diese Power-Frauen mit schrillem Ton und manchmal schräger Stimme, ihnen gegenüber der bewährte Robert Bejeuhr nach Art des TV-Hausmeisters Krause. Er verteilt die Post, sammelt Blätter ein, in heimlicher Verehrung einer von den sieben, die aber leider höchst aphrodisierende Anrufe von einem anderen bekommt. So schrecklich doll getippt wird nicht, dafür gesungen viel, mal laut, mal sehr poetisch. Eine hat Probleme mit ihrer „Identität“, die nächste malmt einen US-Song, zu dem die anderen Seifenblasen liefern: „Oh! Nice!“ Mit Otis Redding träumt man am Dock gemeinsam in der „Morgensonn“, dann findet sich die dritte „Zu geil für diese Welt“; es gibt auch Schreibmaschinen-Erotik. Christian Kozik (musikalische Leitung) begleitete die Siebenzahl plus Mann erkennbaren Vergnügens am Klavier. Damit nicht genug. Als sich der „Kerl für alles“ in einen Italo-Macho verwandelt und ein Amore-Lied aus seiner Heimat singt, fallen ihm die Mädels mit hysterischem Kreischen zu Füßen, denn es ist seine Welt. In der Arbeitspause wird streng nach draußen gepafft, drinnen gibt“s dann Mundspray zur Neutralisation, man tippt den Schreibmaschinen-Song mit Klingel-Anschlag in Reprise bestens synchronisiert. Nicht mehr steigerungsfähig? Wer dieses Tipp-Büro demnächst besucht, erfährt noch mehr. Bis auf das unverstanden-eirige Finale ist das alles mit Übersicht und Liebe eingerichtet, im Vollgefühl weiblicher Listen und Lasten auch gut gespielt. Details entzücken massiv, alle gehen mit, wenn eine vorn ihr Herz ausleert, Suse natürlich voran. Tiefster Verbitterung (zum Brüllen) gibt der zurück-verwandelte Hahn im Korbe seine Parodie auf den unvergessenen Soulsänger James Brown: Ja, „It“s A Man“s, Man“s World“. In ihr wird getippt, geliebt und gesehnt, und sonst gar nichts. Zu sehen am 12.2., 19.30 Uhr.

Gerold Paul

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