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Kultur: Meditation und Kraftquell

Am Sonntag wird in der Töplitzer Kirche ein Bilderaltar der Malerin Eva-Maria Viebeg eingeweiht

Am Sonntag wird in der Töplitzer Kirche ein Bilderaltar der Malerin Eva-Maria Viebeg eingeweiht Fast 40 Jahre lang versammelten sich die Gemeindeglieder der Töplitzer Dorfkirche vor einer großen kahlen Altarwand. Nachdem Ende der 60er ein wurmstichiger, dunkler und monströser Kanzelaltar rigoros entfernt wurde, schrie die weiße Fläche hinter dem neuen schlichten Sandsteinaltar förmlich nach Gestaltung. Ab Sonntag nun kann das Wort Gottes vor einer sinnträchtigen „Bilderbibel“ verkündet werden. Die Kirche bekommt einen neuen Flügelaltar. Gemalt wurden die zehn farbintensiven und kraftvollen Tafeln von Eva-Maria Viebeg, der Schwester des Töplitzer Pfarrers. „Es war vor gut einem Jahr, als ich mit meiner Schwester gemeinsam in der Kirche saß und wir überlegten, wie der Bereich hinter dem Altar optisch und inhaltlich gefüllt werden könnte. Aus diesem Fantasieren heraus entstand die Frage, ob Eva-Maria nicht selbst diese Gestaltung übernehmen könnte“, erinnert sich Hans-Jürgen Viebeg. Die Malerin und Bühnenbildnerin, die u.a. zahlreiche Inszenierungen ihres Mannes Friedo Solter ausstattete, fing sofort Feuer. „Es reizte sie sehr, auch wenn sie natürlich große Ehrfurcht vor dieser Aufgabe hatte. Schließlich ist die Messlatte hoch angelegt angesichts der über Jahrhunderte geschaffenen Bildwerke in Gotteshäusern. Aber sie hatte auch lange von solch“ einer Möglichkeit geträumt.“ Da sich auch der Töplitzer Gemeindekirchenrat auf das geschwisterliche Ansinnen einließ, konnte sich die Künstlerin in ihrem Usedomer Atelier ans Werk machen und freute sich auch über die neugierigen Besucher aus Töplitz, die ihr zwischenzeitlich über die Schultern schauten. „Natürlich stellte sich als erstes die Frage nach der Umsetzung: Wählt man den Weg der biblischen Sprache oder aber eine abstrakte Form.“ Eva-Maria Viebeg vertraute auf die Kraft des Figürlichen, „schon deshalb, weil viele Menschen heute nichts mehr von den Geschichten wissen, aus denen sie kommen. Früher verstanden die Menschen noch die Botschaften der Bilder, suchten nach Erklärungen, weil sie nicht lesen konnten. Aber auch heute haben die Geschichten viel mit uns zu tun, auch wenn sie sehr alt sind.“ Die Auswahl der Szenen für den Töplitzer Altar entstand in einem wechselseitigen Gedankenprozess. Für den Pfarrer war vor allem die „Sturmstillung“ sehr wichtig, die nun im Zentrum der Bilderwelt steht. Diese Geschichte erzählt, wie Jesus mit seinen Jüngern über den See von Genezareth fährt und dabei in einen Sturm gerät. Das führerlose Schiff droht, wie eine Nussschale von den Wellen verschlungen zu werden. Jesus aber ist eingeschlafen und seine Jünger versuchen ihn zu wecken: Sie rufen ihn an: „Meister, Meister, wir verderben. Ist es dir egal, dass wir zugrunde gehen?“ Sie haben Angst und warten auf die Hilfe des Messias, vertrauen nicht darauf, dass sie Gott mit im Boot haben. „Diese Geschichte war mir besonders wichtig, da wir auf einer Insel leben und mit dem Wasser verbunden sind. Die Jünger im Boot sind für mich ein Sinnbild für das Leben der Gemeinde in der Bedrohung und in der Bewahrung durch Jesus Christus.“ Eine Geschichte, die der Künstlerin besonders am Herzen lag, erzählt von Ruth, einer jungen Witwe, die ihrer Schwiegermutter in ein fremdes Land folgt: „Wo du hingehst, da will ich auch hin gehen“, bekundet sie ihre Treue. Um sich und die Schwiegermutter zu ernähren, geht Ruth auf die Felder der Bauern, sammelt dort die bei der Ernte liegen gebliebenen Ähren. Die Frauen boxen sich durch und finden ein sinnerfülltes Leben. Am Ende bekommt Ruth den Bauern Boas zum Mann. „Ruth ist für mich eine Frau, die für Mitmenschlichkeit, aber auch für das Vertrauen in die eigene Stärke steht“, so der Töplitzer Pfarrer. Die Bilder erzählen auch von Adam und Eva im Paradies und vom Traum Jakobs, der als Betrüger auf der Flucht ist, und dem sich nachts der Himmel öffnet. Sie zeigen Jesus am Ölberg, Folter und Tod vor Augen, der allein in seiner Angst mit Gott ringt und ihn um Beistand bittet. Und sie erinnern an eine Frau, die wegen Ehebruchs gesteinigt werden soll. Doch als Jesus den Peinigern den Spiegel vorhält und sagt: „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“, ist plötzlich keiner mehr da, der die Frau verurteilt. Der Töplitzer Altar verbindet Szenen aus dem Neuen und Alten Testament. „Diese Verschmelzung soll verdeutlichen, dass Jesus seine Wurzeln im Volk Israel und seine Glaubenserfahrungen mit Gott hat. In der Nazizeit wurde ja versucht, einen arisierten Jesus zu schaffen. Gerade deshalb sind und bleiben wir mit dem Volk Israel in seinem Glauben wie in seiner Existenz in besonderer Weise verbunden.“ Für Hans-Jürgen Viebeg haben die Bilder eine starke Ausstrahlungskraft. „Sie berühren mich sehr und regen mich an, über das eigene Leben nachzudenken. Aber ich fühle mich in ihnen auch aufgehoben. Es ist alles drin, was den Einklang von Natur, Gott und Mensch ausmacht.“ Heidi Jäger Sonntag, 3. Oktober: 10.30 Uhr, Erntedankgottesdienst; 16 Uhr: Cellokonzert mit Tobias Stosiek aus Wien.

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