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Theaterprojekt „La Nomad House“ mit Hilfe der Potsdamer Lokalgruppe der Menschenrechtsorganisation „borderline.europe“ in Potsdam zu Gast.

© Andreas Klaer

Migration sichtbar machen: Kulturprojekt La Nomad House gastiert in Potsdam

Das internationale Kulturprojekt La Nomad House ist auf der Reise durch sechs Länder. In kostenlosen Veranstaltungen erzählt es die Geschichten von Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer.

Die fliegenden Bauten auf dem Stadtplatz im Neuen Lustgarten sind am Freitag mit einer 200 Meter langen Kolonne – bestehend aus Trucks und Wohnwägen – aus Belgien angekommen. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich kaum von sonst dort aufgeschlagenen Zirkuszelten. Doch statt Clowns und Akrobaten stehen hier die Ertrinkenden im Mittelmeer im Mittelpunkt.

Eine Woche lang soll es um die Gefahren für Flüchtende auf dem Seeweg nach Europa gehen, auch um „administrative und physische Gewalt“. Im besten Fall darum, einen Anstoß für zivilgesellschaftliches Engagement zu geben.

Statt in den Nachrichten bekommen die Geschichten der Migrantinnen und Migranten im „Nomad House“ in kulturellen Veranstaltungen Raum. „Wir hoffen, damit einen anderen Zugang zu dem Thema zu schaffen und zu transportieren, dass Migration zum Menschsein gehört“, sagt Politologe Harald Glöde.

Er ist Mitbegründer von Borderline Europe, einer Berliner Menschenrechtsorganisation, die das mit den Partnerländern Belgien, Griechenland, Italien, Tunesien und Frankreich geschulterte Kulturprojekt von Deutschland aus mitorganisiert hat. Nach ihm geht es darum, vom Südufer des Mittelmeeres aus eine Brücke zu Theatern nördlich vom Mittelmeer zu bauen.

Los geht es mit einer Vorführung von Agnieszka Hollands Fluchtdrama „Green Border“ und einer anschließenden Fragerunde zum Film sowie den Pushbacks an der polnisch-belarussischen Grenze. Der Film startete im Oktober 2023; von ihm heißt es, er habe Einfluss auf die polnischen Parlamentswahlen gehabt, mit denen die nationalistische PiS-Partei ihre absolute Mehrheit verlor.

EU-Werte und wie sie verletzt werden

Aus Workshops mit Migrantinnen und Migranten ist ein Konferenzprogramm entstanden: In Potsdam geht es um das vor wenigen Wochen beschlossene gemeinsame europäische Asyl- und Migrationssystem (Geas). Im Kontext der anstehenden Europawahl soll gezeigt werden, welche Werte die EU vertritt und wie sehr sie durch die Politik verletzt werden. Aber auch, welche zivilgesellschaftlichen Möglichkeiten es gibt, positiven Einfluss darauf zu nehmen.

Initiiert wurde „La Nomad House“ vom Brüsseler Theaterensemble „La Compagnie des Nouveaux Disparus“ (Die Kompanie der Neuen Verschwundenen). Seit 1995 ist es ihr Ziel, Kultur zu denen zu bringen, die normalerweise keinen Zugang dazu haben. Ihr künstlerischer Direktor Jamal Youssfi erzählt gern von seinem Vorhaben, irgendwann gut genug Englisch zu sprechen, um Shakespeare im Original zu lesen. Noch ist es nicht so weit, doch das mehrfach aufgeführte Theaterstück „Le Songe“ ist eine Neuinterpretation von dessen dramatischer Komödie „Ein Sommernachtstraum“.

Begleitend wird die Fotoausstellung „Beyond Borders“ gezeigt: Die Berliner Fotojournalistin Serena Magnolia reiste dafür in die Partnerländer, um die an den Workshops teilnehmenden Migrantinnen und Migranten zu treffen. Ihre Porträts, Geschichten und Wege werden darin sichtbar.

Mit Blick auf die Großstädte, in denen das Kulturzentrum in anderen Ländern gastiert, überrascht es, dass Potsdam der einzige Halt in Deutschland ist. „Administrative Gründe“, sagt Harald Glöde. Aber es sei ja auch nicht unpassend angesichts der Situation, dass vor einigen Monaten Rechtsextreme in der Villa Adlon die sogenannte Remigration planten. Die große Frage nach den anschließenden Demonstrationen sei, wie man sie in die Kontinuität überführen könne.

Am 22. Mai schlägt das Ensemble von La Nomad House seine Zelte bereits in Thessaloniki auf. Bis Anfang Juli geht es über Sizilien und Tunesien bis nach Frankreich. Eine Reise, die vielen Migrantinnen und Migranten verwehrt bleiben würde. „Diese Bewegungsfreiheit ist aus unserer Perspektive das Recht von jedem, nicht nur von reichen Menschen aus Europa oder anderen Ländern“, so Harald Glöde. „Dieses Recht fordern wir für alle.“

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