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Kultur: Mozart swings

Musikalische Metamorphosen / Kedma Trio und Neues Kammerorchester verkleiden Mozart modern

Gern wüsste man, was Wolfgang Amadeus Mozart zu all diesen späten Huldigungen zweihundertfünfzig Jahre nach seiner Geburt gesagt hätte. Vielleicht hätte er die heutigen Musiker auch gefragt, ob sie keine eigene Musik haben, die sie spielen wollen, wie Sir Simon Rattle kürzlich in der „Zeit“ geäußert hat. Ganz abwegig ist diese Mutmaßung nicht, denn wohl nie zuvor wurde Musik aus der Vergangenheit so häufig gespielt wie in unserer Zeit.

Doch wenn sie so mitreißend erklingt wie beim Konzert des Neuen Kammerorchesters Potsdam mit dem Kedma Jazz Trio aus Jerusalem, hätte die Idee, Mozart-Kompositionen und Bearbeitungen zusammen zu bringen, sicher auch dem Salzburger Jubilar gefallen.

Die musikalische Melange aus Barock, Klassik und Jazz verantwortete Yaron Gottfried, der mit seinem Kedma Trio aber auch Dirigent, Pianist und Komponist einen guten Ruf erworben hat. Doch vor Mozart erklingt Yaron Gottfrieds „The Well-Tempered Unbalanced Piano“ für Jazz Trio und Kammerorchester, das auf Fugen des „Wohltemperierten Klaviers“ von J. S. Bach basiert. Verschiedene Themen und ihre Durchführungen werden von einzelnen Instrumentengruppen gespielt, bevor sie vom Orchester verfremdet und vom Trio verjazzt werden. Hochachtung gebührt den kammermusikalischen Solisten für ihr fließendes Spiel in den drei- und vierstimmigen Fugen.

Darauf folgt meistens eine experimentelle Exposition des Orchesters, etwa mit tremolierenden Streichern, dräuenden Hörnern oder flatternden Flöten. Eine Ursuppe aus gründelnden und summenden Tönen leitet die Metamorphose von Fuge E-moll ein, hymnische Fanfaren im Filmmusikstil schmettern durch die moderne Version von Fuge B-Dur. Weit mehr als diese sinfonischen Beigaben überzeugen die ausgiebigen Passagen des Jazz-Trios, bei denen Yaron Gottfried begnadet locker über die Tasten swingt. Auch seine beiden Mitspieler Yorai Oron, Bass, und Yaaki Levi, Drums, erweisen sich als Meister des klassischen Swingklangs.

Nur vier Tage hatte der Vielschreiber Mozart für die Sinfonie Nr. 36 C-Dur, die so genannte Linzer Sinfonie, benötigt, doch ohne qualitative Einbußen, denn immerhin drei der fünf Sätze wurden in der Sonatensatzform komponiert. Das Neue Kammerorchester huldigte mit einer intelligenten, wohlklingenden Aufführung Mozarts Witz und Einfallsreichtum. Unter Yaron Gottfrieds Leitung erklingen Adagio/ Allegro und Andante mit vielfarbig changierenden Tonbildern, schönen Einsätzen, Übergängen und weit atmenden Zeitläufen. Einzig der Finalsatz wirkt mit starken dynamischen Betonungen und sehr absehbaren Phrasen weniger inspiriert.

Die Synthese von Mozart und Jazz in Yaron Gottfrieds „Mozarts swings“ gelingt überzeugend. Im der vom Kedma-Trio und dem Neuen Kammerorchester Potsdam uraufgeführten Komposition verschmelzen Mozart“sche Melodik und Harmonik mit modernen Spiel- und Klangformen.

Auf der Basis des ersten und des dritten Satzes der g-moll-Sinfonie sowie unter Verwendung einiger anderer Mozart-Themen entstehen schräge, swingende Klangbilder. Mal klingt es nach vollmundigem Big-Band-Sound, mal ganz intim wie in der Jazzkneipe beim virtuosen Kontrabasssolo, dann wieder leuchtet ein Fetzen Musical wie von Leonard Bernstein auf.

An diesem musikalischen Mix aus zweieinhalb Jahrhunderten hätte das Salzburger Geburtstagskind sicher seinen Spaß gehabt.

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