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Union im Jahnsportpark: Heimspiel in der Fremde

André Görke über den Besuch des 1. FC Union im Jahnsportpark, der traditionellen Spielstätte des Erzfeinds BFC Dynamo. Zum Drittliga-Spiel gegen den VfB Stuttgart verschlägt es die Köpenicker heute nach Prenzlauer Berg.

Bunte Plakate haben sie an die Wände gepappt, überall im Kiez. „Der 1. FC Union kommt exklusiv in den Prenzlauer Berg“, steht darauf, „aber nur für kurze Zeit!“ Ein bisschen Werbung kann nicht schaden, zumal „die Schwaben kommen“, wie es auf der Geschäftsstelle heißt, was in Prenzlauer Berg bekanntlich nicht ganz unbedeutend sein könnte. 5000 Fans werden heute (14 Uhr) im Jahnsportpark gegen die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart erwartet. Vielleicht kommen 7000 oder mehr, so genau weiß das keiner vor dem ersten Heimspiel des 1. FC Union in der dritten Fußball-Liga.

Wobei: Heimspiel? Nein, das ist es nicht wirklich, nicht an der Schönhauser Allee, nicht in diesem Stadion. Das war das Revier des BFC Dynamo, des Erzfeinds und DDR-Rekordmeisters. Die Fans haben früher stets aufeinander eingedroschen, hier saß doch Stasi-Chef Erich Mielke. Die BFC-Fans waren nicht allesamt treue Genossen (und provozierten die Staatschefs ausgerechnet im eigenen Stadion mit derb-bissigen Sprüchen), aber das Revier vom Fernsehturm gen Norden galt damals eher als weinrot-weißes Dynamo-Land, abgesehen natürlich von der Union-Fankneipe „Bodega“. Das rot- weiße Revier von Union erstreckte sich vor allem gen Süden und Osten.

„Viele aus der älteren Generation werden von ihrer Geschichte eingeholt und bleiben sogar zu Hause“, sagt Unions Fanbeauftragter Lars Schnell, 36. Doch der Verein, dessen Fans einst auch nicht studentisch-brav mit den BFC-Anhängern umsprangen, musste umziehen, weil die Köpenicker Heimat, das Stadion Alte Försterei, saniert wird. Am 25. Oktober will Union zurück sein. So lange zieht der Fanblock auf die Gegentribüne im Jahnsportpark. Der Blick richtet sich nach vorne, auf dieses braunrot- glänzende Ungetüm, das, kaum genutzt, am Rande des Mauerparks steht: die Haupttribüne samt Vip-Autoauffahrt für die DDR- Staatskarossen. Erst 1987 wurde die Tribüne fertig. Der Jahnsportpark war ein Luxusbau am Mauerstreifen, mit vier riesigen Flutlichtmasten, deren 240 Scheinwerfer weit zu sehen waren, auch in West-Berlin. Länderspiele fanden dort statt, Europapokalabende des BFC Dynamo, auch das letzte ostdeutsche Pokalendspiel: 1991, zwei Jahre nach dem Mauerfall.

Seither wird das Flutlicht selten angeknipst, einmal jährlich von der Polizei, um bei der Mauerpark-Randale in der Walpurgisnacht den Überblick zu behalten. Hertha BSC hatte hier zwar am ehemaligen „Exer“ in Prenzlauer Berg seine Heimat und zog erst 1905 gen Wedding, doch außer ein paar Zweitligaspielen 1992 und UI-Cup-Abenden kickte der Klub im Westen. Der BFC Dynamo hat inzwischen seine Heimat in Hohenschönhausen, die Fans sind ruhiger geworden. Union wich auch schon für zwei Uefa- Cup-Spiele in den Jahnsportpark aus: 2001 war das. Damals riefen die Fans trotzig: „Auswärtssieg!“ André Görke

André Görke

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