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Dagur Sigurdsson hatte viel Grund zur Freude.

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Update

Handballer schlagen auch Russland: Nun kommt es zum Endspiel ums Halbfinale

Deutschlands Handballer schlagen Russland und spielen nun um den Halbfinal-Einzug. Doch mussten die Deutschen am Sonntag auch weitere personelle Rückschläge hinnehmen.

Die Rolle des Alterspräsidenten hat bisweilen unschätzbare Vorteile. Zum Beispiel den, seinen Vorgesetzten herzen zu dürfen, wie es sonst nur wenigen gestattet ist. So hat es am Sonntagabend auch Carsten Lichtlein gemacht, der Torhüter der Handball-Nationalmannschaft. Nach der Schlusssirene des zweiten von drei Hauptrundenspielen bei der Europameisterschaft in Polen stürmte der Keeper des deutschen Teams mit einer Entschlossenheit auf Bundestrainer Dagur Sigurdsson zu, dass man sich für einen kurzen Augenblick Sorgen um die Standfestigkeit des Isländers machen durfte. Irgendwie hielt sich Sigurdsson dann aber doch auf den Beinen, quasi mit letzter Kraft

Die Szene war ein Sinnbild für den Auftritt seiner Auswahl, die ihren phasenweise hohen Vorsprung irgendwie ins Ziel retten konnte – und zugleich Ausdruck der Erleichterung, die sich nach dem Spiel im deutschen Lager breitmachte: Durch einen denkbar knappen 30:29 (17:16)-Sieg gegen Russland steht die Nationalmannschaft nun vor einem echten Endspiel gegen Dänemark. Mit einem Sieg gegen den Vize-Europameister am Mittwoch können sich die Deutschen zum ersten Mal seit neun Jahren wieder für ein Halbfinale bei einem großen Turnier qualifizieren. „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft“, sagte Bundestrainer Sigurdsson, „wir haben gegen einen starken Gegner gewonnen, der im gesamten Turnier auf sehr hohem Niveau gespielt hat.“

Personell begannen seine Auswahl zunächst mit exakt jener Sieben, die schon die drei vorangegangenen Begegnungen siegreich gestaltet hatte. Allerdings fehlte ihr am Anfang ein gehöriges Stück der Aggressivität, die das Team zuletzt so stark gemacht hatte, vor allem in der Defensive. Nach drei Minuten führte Russland mit 3:0, nach sieben Minuten hatte es bereits sieben Mal hinter Nationaltorhüter Andreas Wolff eingeschlagen – ein Schnitt, mit dem auf internationalem Niveau nicht viel zu holen ist. So sehr der Defensivverbund um Finn Lemke und Erik Schmidt die russischen Rückraumspieler auch kontrollierte, so groß waren die Freiräume für Kreisläufer Michail Tschipurin, der allein in Halbzeit eins fünf Treffer erzielte.

Dissinger macht sein bislang bestes Spiel

Auf der anderen Seite konnte sich die deutsche Mannschaft auf zwei Spieler verlassen, die offensiv bislang noch nicht so richtig in Erscheinung getreten waren: Erik Schmidt wusste seinen wuchtigen Körper in Position zu bringen und erzielte in einer Halbzeit so viele Tore wie zuvor im ganzen Turnier, und von der Position im linken Rückraum ging ebenfalls dauerhaft Gefahr aus – ein Verdienst vom Christian Dissinger, der sein bislang bestes EM-Spiel absolvierte und am Ende des Tages mit sieben Treffern bester Werfer war. So holten die Deutschen Tor um Tor auf, Steffen Fäth erzielte nach 21. Minuten erstmalig die Führung, die bis zur Pause (17:16) halten sollte

Warum Russlands Nationaltrainer, der ehemalige Bundesliga-Profi Dimitri Torgowanow, nach dem Seitenwechsel komplett auf seinen so starken Kreisläufer Tschipurin verzichtete, wird vermutlich auf ewig sein Geheimnis bleiben. In jedem Fall spielte dieser Entscheidung den Deutschen in die Karten: Fabian Wiede, Steffen Fäth, Christian Dissinger und Erik Schmidt warfen bis zur 45. Minute einen vermeintlich sicheren Fünf-Tore-Vorsprung heraus (25:20), an dem auch der kurz vor der Pause für Andreas Wolff eingewechselte Carsten Lichtlein großen Anteil hatte.

In der Schlussphase zeigte sich dann einmal mehr, wie unberechenbar und dynamisch Handball sein kann: Innerhalb weniger Minuten verwandelten die Russen ihren Rückstand in ein Remis (26:26/52.), die Partie schien zu kippen – und das war zum Teil durchaus dem portugiesischen Schiedsrichtergespann Santos/Fonseca anzulasten, das einige höchstseltsame Entscheidungen traf und dem deutschen Team unter anderem zwei reguläre Treffer aberkannte. Weil sich die Spieler und Verantwortlichen bekanntlich nicht zur Leistung der Unparteiischen äußern dürfen, übernahm diese Aufgabe Ex-Nationalspieler und Fernseh-Experte Stefan Kretzschmar. „Ich habe so einen Hals“, sagte er, „ich kann mich kaum daran erinnern, dass ein Gespann mal so einseitig gepfiffen hat.“

Am Ende reichte es für das deutsche Team trotzdem zum vierten Sieg in Folge. Der war aber auch teuer erkauft: Steffen Weinhold und Christian Dissinger mussten in der finalen Phase verletzt vom Feld, ob die Rückraumspieler am Mittwoch wieder fit sind, ließ sich nicht abschließend klären. „Aber das sah nicht gut aus, leider“, sagte Bundestrainer Sigurdsson.

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