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Polizeibeamte bauen nach der Räumung einer pro-palästinensischen Demonstration der Gruppe «Student Coalition Berlin» auf dem Theaterhof der Freien Universität Berlin das Camp ab.

© dpa/Sebastian Gollnow

Update

Wegen „Diffamierung“ nach Protestbrief: Freie Universität Berlin prüft rechtliche Schritte gegen „Bild“

Nach der Räumung eines propalästinensischen Protests sieht die FU-Leitung Wissenschaftler in einem „Bild“-Artikel an den Pranger gestellt. Beschwerden beim Presserat sind auf dem Weg.

Die Freie Universität (FU) Berlin prüft rechtliche Schritte gegen die „Bild“. Anlass ist die Berichterstattung der Zeitung über einen Protestbrief von etwa 100 Lehrenden gegen die polizeiliche Räumung einer propalästinensischen Demonstration an der FU. „Wir verurteilen entschieden die Diffamierung von einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unserer Universität durch die Bild-Zeitung. Wir prüfen medienrechtliche Schritte“, heißt es in einer Erklärung der Hochschulleitung vom Sonntag.

Am Montag kündigte Uni-Präsident Günter M. Ziegler zusätzlich an, eine Beschwerde beim Presserat einlegen zu wollen. Eine solche hatte auch der HU-Historiker Michael Wildt angekündigt, der den offenen Brief unterzeichnet hatte und mit Bild und Namen in der Zeitung abgebildet wurde.

Für Ziegler bleibt diese Darstellung eine Diffamierung, die Wissenschaftler würde Hetze und Anfeindungen ausgesetzt. „Sie werden für eine Sache vereinnahmt, für die sie nicht stehen.“ Weil die Kritik am Brief am Wochenende hochkochte, habe die FU eine schnelle öffentliche Reaktion als „Rückendeckung“ für die Dozenten für nötig gehalten. Und das, obwohl Ziegler weiter zur Räumung des Camps steht und inhaltlich den offenen Brief für falsch hält. „Aber er ist zulässig und muss diskutiert werden.“

Auslöser des Streits ist eine Kundgebung von etwa 150 Aktivisten der Gruppe „Student Coalition Berlin“. Sie hatten am Dienstag versucht, einen Hof der FU zu besetzen und Zelte aufzubauen. Die FU schaltete die Polizei ein und ließ das Gelände räumen. Die Polizei bilanzierte, es seien 79 Personen vorübergehend festgenommen worden, es gebe 80 Strafermittlungsverfahren und 79 Ordnungswidrigkeitsverfahren.

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Etwa 100 Lehrkräfte von Berliner Hochschulen wandten sich daraufhin mit einem Unterstützerbrief an die Öffentlichkeit. Sie kritisierten die Räumung – und ihre eigenen Chefs: „Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt“, schrieben die Lehrkräfte in ihrem Statement. „Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen.“

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Am Tag nach der Kundgebung zeigte „Bild“ einzelne Wissenschaftler mit Foto, Namen und Funktion – unter den Überschriften „Die Universitäter“ und „Diese Lehrkräfte unterschrieben offenen Brief für Juden-Hass-Demos“. Mit der Prüfung von rechtlichen Schritten gegen „Bild“ stellt sich nun die Leitung der FU Berlin vor die eigenen Lehrkräfte. Welche genauen Aspekte der Berichterstattung sie für angreifbar hält, ging aus der knappen, lediglich aus zwei Sätzen bestehenden Erklärung vom Sonntag jedoch nicht hervor.

Historiker reicht Beschwerde beim Deutschen Presserat ein

Der Historiker Michael Wildt, der den Brief unterzeichnet hatte und in der „Bild“-Berichterstattung erwähnt worden war, reichte am Wochenende beim Deutschen Presserat eine Beschwerde „gegen den verleumderischen Artikel“ ein. Das Statement identifiziere sich ausdrücklich nicht mit den Forderungen der Demonstranten. „Daraus abzuleiten, die Unterzeichner:innen hätten einen ,offenen Brief für Juden-Hass-Demos’ unterschrieben, ist eine böswillige Verleumdung“, heißt es in Wildts Erklärung.

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Es handele sich um eine Berichterstattung, die – mit der Abbildung der Porträts und Namen – die Unterzeichner „persönlich markiert und bewusst möglichen Gewaltaktionen aussetzt“, kritisierte der Historiker. Wildt führt dabei für sich selbst an, dass er ein „international renommierter NS- und Holocaust-Historiker“ sei. „Mir zu unterstellen, ich würde „Juden-Hass-Demos“ unterstützen, ist böswillige Verleumdung, die mich als Antisemit darstellen will.“

Politiker reagierten auf Protestbrief

Auf den Brief der Lehrenden hatten in den vergangenen Tagen auch zahlreiche Politiker reagiert. „Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos“, empörte sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in der „Bild“. „Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.“

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte der Zeitung: „Für die Verfasser dieses Pamphlets habe ich überhaupt kein Verständnis.“ Berliner Universitäten seien und blieben Orte des Wissens, des kritischen Diskurses und des offenen Austauschs. „Antisemitismus und Israelhass sind aber keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten.“

Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra sagte am Freitag im Inforadio des RBB: „Wir haben es nicht mit friedlichem studentischem Protest zu tun.“ Von Anfang an habe es verbotene Parolen, Hetze, Handgreiflichkeiten gegen jüdische Gegendemonstranten und erhebliche Sachbeschädigungen gegeben. „Insofern stimmt das nicht, dass es hier einen friedlichen studentischen Protest gab, nach dem Motto: ,Wir wollen ja nur reden'“, sagte die Wissenschaftssenatorin.

Kritik kam auch von der Hochschulrektorenkonferenz: Der offene Brief und seine Unterzeichner würden den „destruktiven Charakter der jüngsten Proteste“ verkennen, sagte deren Präsident, Walter Rosenthal, dem Tagesspiegel. (mit dpa)

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