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Eher Schrott statt Gold finden die Einwohner von Schwanitz.

© NDR/ARD Degeto/Gordon Timpen

"Nord bei Nordwest": Goldrausch zum Langweilen

Der neue Film der „Nord bei Nordwest“-Reihe "Gold!" verschenkt den Krimi-Charme der Provinz. Nur die Figuren den retten Fall über einen ermordeten Immobilienmakler.

Die Idee hatte was: Ein Tierarzt, der in Wirklichkeit Polizist ist, mit neuer Identität in einem beschaulichen Ostseeort untertaucht und die dortige Polizistin bei ihren Fällen unterstützt . Hauke Jacobs aus „Nord bei Nordwest“ war im Herbst 2014 eine völlig neue Ermittlerfigur im großen Panoptikum der Fernsehkommissare.

Holger Karsten Schmidt, mehrfach mit den wichtigsten Preisen dekorierter Autor knallharter TV-Thriller, hat die Rolle für seinen mutmaßlichen Lieblingsdarsteller Hinnerk Schönemann entwickelt. Während dessen bisherige Krimis stellenweise recht gewalttätig und makaber waren, ist „Nord bei Nordwest“ reinstes Familienfernsehen.

Damit rückt die Reihe stark in die Nähe von „Marie Brand und…“. Im Vergleich zum selbstverliebten Kommissar Jürgen Simmel, den Schönemann in der ZDF-Reihe verkörpert, ist Veterinär Jacobs aus dem ostholsteinischen Schwanitz allerdings ein ziemlich bodenständiger Typ. Daran ändern selbst die beiden rothaarigen Frauen nichts, die ihn umschwärmen.

Der Krimi lebt von den Figuren

Dieses Trio ist auch der einzige Grund, die neue, siebte „Nord-bei-Nordwest“-Episode, „Gold!“, zu empfehlen: weil das Beziehungsgeflecht zwischen Jacobs sowie seiner Praxishilfe Jule (Marleen Lohse) auf der einen und Polizistin Lona Vogt (Henny Reents) auf der anderen Seite viel interessanter ist als die Krimiebene.

Die Handlung scheint ohnehin nur ein Vorwand zu sein, um ein bisschen Goldrausch zu spielen: Am Körper eines brutal zu Tode getretenen Immobilienmaklers werden Spuren von Goldstaub entdeckt. Der Mann wollte diverse Grundstücke kaufen. Weil vor langer Zeit schon mal Gold in Schwanitz gefunden worden ist, drehen die Einwohner prompt durch. Der einzige Profiteur ist jedoch der Kleinkramhändler Ösker (Cem-Ali Gültekin), der nun reihenweise Metalldetektoren verkaufen kann.

Eifrigste Goldsucher sind ein Bestatterpärchen, die als Pausenclowns dienen und bei besserer Umsetzung vermutlich sogar lustig wären. Die Gespräche über den Traum einer Ladenkette mit vielen Filialen – PR-Motto „Der Tod ist nur ein neues Zuhause“ – deuten zumindest das Potenzial der Figuren an.

Mehr Spannung im Nebenhandlung

Derweil vernehmen Jacobs und Vogt alle möglichen Leute, die mit dem Makler zu tun hatten, darunter auch ein gewalttätiger Juwelier und seine Frau, aber das ist alles nicht packender oder origineller als die Folge einer handelsüblichen Vorabend-Krimiserie.

Interessant wird „Gold!“ immer dann, wenn es um die Hintergrundgeschichte geht: Jacobs, der sich als verdeckter Ermittler das Vertrauen eines Mafiabosses erschlichen hatte, muss nach Hamburg, um im Prozess gegen den Mann auszusagen. Damit wäre das Kapitel Schwanitz theoretisch abgeschlossen, der Kommissar könnte auch in seinen alten Job zurück, aber er will lieber in dem kleinen Ostsee-Ort bleiben.

Natürlich gibt es vor dem langen Arm des Verbrechens kein Entkommen, weshalb das Finale wirkt, als habe Regisseur Christian Theede in den letzten zwei Minuten alles an Spannung nachholen wollen, was der Krimi vorher hat vermissen lassen. Das ruhige Tempo gibt dem Zuschauer immerhin Gelegenheit, die eindrucksvollen Himmelsbilder zu bewundern (Kamera: Martin Schlecht). Sehr reizvoll ist auch das Licht bei den Innenaufnahmen; eine Kirchenszene ist geradezu überirdisch illuminiert. Die nächste Episode, die das „Erste“ am 10. Januar zeigt („Frau Irmler“), stammt erstmals nicht aus der Feder von Holger Karsten Schmidt, ist aber dank diverser Verbeugungen vor Alfred Hitchcock wesentlich cleverer als der Fall um den Goldrausch.

„Nord bei Nordwest: Gold!“, Donnerstag, ARD, 20 Uhr 15

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