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Aktuell verklären Leute im Netz zunehmend Hamas, Hisbollah und andere Mörderbanden als neue Che Guevaras. Merken die noch was?

© Gestaltung: Tagesspiegel; Fotos: Getty Images, imago-images (2)

Wo ist die Brandmauer gegen Islamisten hin?: Die Sympathisanten der Hamas verlieren jede Scham

Die Hamas öffentlich zu unterstützen, war früher undenkbar. Inzwischen werden die Terroristen im Netz als neue Che Guevaras gefeiert. Geht’s noch?

Eine Kolumne von Sebastian Leber

Die neueste Perfidie ist der Vergleich mit Nelson Mandela. Der sei schließlich auch lange als Terrorist bezeichnet worden, später wurde er dann als Held gefeiert. Deshalb solle man die Hamas-Kämpfer besser nicht Terroristen nennen.

Man könnte sich jetzt die Mühe machen zu erklären, dass Mandela keine Menschen ermorden ließ, keine Massaker oder Selbstmordattentate befahl, weder religiöser Fanatiker noch Antisemit noch Schwulenhasser war und Rivalen nicht lebendig von Hochhäusern werfen ließ. Man kann Menschen, die in den sozialen Netzwerken solche absurden Vergleiche ziehen, aber auch einfach blocken.

Raketenangriffe gegen Zivilisten? Quasi Notwehr!

Letzteres tue ich seit einigen Wochen immer häufiger. Denn je länger der Krieg in Gaza dauert, desto mehr Leute verlieren ihre Scham, offen Sympathien für Terrorbanden zu bekunden. Manchen von ihnen hätte ich das nie im Leben zugetraut. Es ist, als bekäme gerade eine weitere Brandmauer tiefe Risse. Diesmal nicht die gegen rechts, sondern die gegen Islamisten.

Da ist etwa zu lesen, dass die Hamas ihre eigene Ankündigung, die Gräueltaten vom 7. Oktober bei nächster Gelegenheit zu wiederholen und zu übertreffen, doch eigentlich gar nicht ernst meine. Dass ihr erklärtes Ziel, sie werde Israel beseitigen, bitte nicht wörtlich zu nehmen sei.

Wobei auch andere Terroristen mit Empathie rechnen können. Hauptsache, sie bekämpfen Israel. Bei den vom Iran gesteuerten Huthis (Schlachtruf: „Gott ist groß! Tod den USA! Tod Israel! Verdammt seien die Juden! Sieg dem Islam!“) handle es sich im Grunde um eine „progressive Bewegung“, heißt es. Ihre Raketenangriffe gegen Zivilisten seien quasi Notwehr.

Die Selbstdemontage von Amnesty International

Eine unrühmliche Rolle spielt dabei leider auch Amnesty International, die Menschenrechtsorganisation, die ihr jahrzehntelang erworbenes Renommee derzeit nachhaltig demoliert. Als kürzlich der in israelischer Haft sitzende Terrorist Walid Daqqah an Krebs verstarb, trauerte Amnesty auf X und schrieb: „Trotz der weltweiten Mobilisierung für seine Freilassung durfte er seine letzten Stunden nicht mit seiner Familie verbringen. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen.“ Daqqahs Tod sei eine „grausame Erinnerung an Israels Missachtung des Rechts der Palästinenser auf Leben“.

Fragwürdiger Post von Amnesty International.

© Screenshot: X

Walid Daqqah saß übrigens im Gefängnis, weil er die Entführung und Ermordung eines 19-Jährigen verantwortete, dem die Täter zunächst die Augen ausstachen, dann mehrere Körperteile abschnitten, darunter seinen Penis, und ihn danach erschossen. Um so jemanden trauert Amnesty International.

Bezeichnend auch die Äußerungen von Amnesty-Teamleiterin Franziska Vilmar. Als die Berliner Polizei das antiisraelische Protestcamp vor dem Reichstag räumte, schrieb Vilmar, hier handle es sich um „Menschen, die friedlich gegen deutsche Waffenlieferungen nach Israel protestieren“. Dass dies keine auch nur annähernd zutreffende Beschreibung für die dort versammelten Terrorfans, Islamisten und Israelhasser war, muss Franziska Vilmar eigentlich wissen. Ist sie also ahnungslos – oder versucht sie, die Öffentlichkeit zu täuschen?

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Die Neo-Nazi-Kleinstpartei „III. Weg“ zum Beispiel erklärt immer wieder, wie wichtig ihnen der Umweltschutz sei. Man stelle sich vor, Amnesty International würde die Nazis in den sozialen Netzwerken in Schutz nehmen, schließlich handle es sich doch um „Menschen, die sich friedlich für Umweltschutz einsetzen“. Die Empörung wäre zurecht riesig. Ein Post wie der von Franziska Vilmar fällt dagegen kaum auf.

Die Verharmlosung und Romantisierung der „pro-palästinensischen“ Terroristen funktioniert auch deshalb so gut, weil diese als Kämpfer des „globalen Südens“ gegen den unterdrückerischen Westen geframt werden. Wie damals Che Guevara. Und ihre erklärten Todfeinde, die Bürger Israels, als „weiße Unterdrücker“ gesehen werden. Das alles ist Unsinn. Aber ein Unsinn, der verfängt.

Um das eigene Weltbild halbwegs mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen, braucht es abenteuerliche argumentative Verrenkungen. Zum Beispiel: Der Wunsch nach einer dritten „Intifada“ sei harmlos, weil diese Intifada ja nicht zwangsläufig Gewalt beinhalten müsse. „Black Lives Matter“ sei schließlich auch eine Intifada gewesen.

Seit dem Wochenende erfreut sich die Szene an einem Interview mit der emeritierten Professorin Helga Baumgarten. Die behauptet, man könne „an keiner Stelle“ zeigen, dass die Hamas vorhabe, alle Juden zu vernichten. Schließlich habe die Hamas am 7. Oktober auch „viele Ausländer“ umgebracht und entführt.

Unkenntnis der Geschichte – oder der Unwille, sich zu informieren

Neben der Empathiewelle für Mörderbanden schwinden im Netz auch die Hemmungen vieler, offen das Existenzrecht Israels zu bestreiten. Vor dem 7. Oktober wurde der Wunsch, den jüdischen Staat als Ganzes zu beseitigen, gern noch in Forderungen verklausuliert, zum Beispiel der nach einem „Rückkehrrecht“ für zig Millionen Palästinenser auf israelisches Kerngebiet, auch wenn die überwältigende Mehrheit dieser Personengruppe in Wahrheit nie in der Region lebte – einfach um die Juden in Israel auf diese Weise zur Minderheit zu machen. Danach müsse dann die neue Bevölkerungsmehrheit entscheiden, ob der Staat Israel abgeschafft gehöre. Zwinkersmiley.

Dann gab es diejenigen, die einem weismachen wollen, der Spruch „From the river to the sea, Palestine will be free“ – also ein Palästina vom Jordan bis zu Mittelmeer – beinhalte gar nicht automatisch die Forderung nach der Auslöschung Israels. Fun Fact: Auf Arabisch reimt sich „Meer“ nicht auf „frei“, dort wird stattdessen skandiert: „Vom Wasser bis zum Wasser, Palästina ist arabisch.“ Wie auch das als Plädoyer für eine Zweistaatenlösung zu verstehen ist, konnte bislang kein Hamas-Apologet erklären.

Ist auch gar nicht mehr nötig. Inzwischen wird die eigene Forderung nämlich offen und ungeniert vorgetragen: Der Judenstaat soll weg. Als einziger von 193 Staaten der Vereinten Nationen.

Am wütendsten machen mich Deutsche, die einem erklären wollen, dass es gar keinen Staat Israel brauche, weil Juden ja auch als Minderheit in Palästina ein gutes Leben haben könnten. Ganz ohne Unterdrückung. Dies habe früher doch auch gut geklappt, in islamisch dominierten Staaten sei Juden der Schutz schließlich garantiert. Oder noch besser: Nach dem Ende Israels würden sich in dem zu gründenden Palästina alle nur noch als Menschen begegnen, ganz unabhängig von Religion, Ethnie, Klasse und Geschlecht. Am besten basisdemokratisch in Räten organisiert.

Um so etwas zu denken, braucht es totale Unkenntnis der Geschichte, einen Unwillen, sich zu informieren, oder einfach Ignoranz. Diesen Irrwitz dann auch noch ins Internet zu posaunen, ist die ultimative Anmaßung.

Merkwürdigerweise sind es häufig dieselben Deutschen, die sich dann darüber beschweren, man dürfe hierzulande ja nicht mal die Regierung Netanjahu kritisieren oder sich für die Zivilisten von Gaza einsetzen. Doch, das darf und sollte man. Ist der Unterschied denn wirklich so schwer zu begreifen?

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