zum Hauptinhalt
Wirtschaftsminister Robert Habeck (rechts) und sein Ex-Staatssekretär Patrick Graichen.

© IMAGO/Chris Emil Janssen

Exklusiv

Nach Entlassung von Graichen: In Habecks Ministerium setzt die Vergesslichkeit ein

Ex-Staatssekretär Graichen will ihm bekannte Kandidaten in Bewerbungsgesprächen „beim Reinkommen geduzt“ haben. Teilnehmer der Sitzungen zur Auswahl des Dena-Chefs erinnern sich aber angeblich nicht.

In der Affäre um den früheren Staatssekretär Patrick Graichen und die Neubesetzung des Chefpostens bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena) setzt im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) Vergesslichkeit ein.

So kann niemand aus dem BMWK mehr bestätigen, dass Graichen ihm persönlich bekannte Kandidaten in den Bewerbungsgesprächen tatsächlich „beim Reinkommen geduzt“ und damit eine persönliche Nähe offengelegt hat, wie Graichen es vor dem Bundestag behauptet hat.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die übrigen Beteiligten aus dem Ministerium, neben dem Parlamentarischen Staatssekretär Stefan Wenzel noch ein Referatsleiter, könnten sich an diese Vorgänge nicht erinnern, teilte das BMWK nach einer Auskunftsklage des Tagesspiegels vor dem Verwaltungsgericht Berlin mit (Az.: VG 27 L 250/23). Das scheint verwunderlich, da Graichen vier der sechs Bewerber zunächst offen mit „Du“ angesprochen haben will und der Termin erst zweieinhalb Monate zurückliegt.

Zu Stefan Wenzel kann ich mitteilen, dass Herrn Wenzel nicht mehr erinnerlich ist, ob Patrick Graichen zu Beginn beim Hereinkommen einige Bewerber/innen geduzt hat. Während der Sitzung wurde gesiezt.

Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima über die Dena-Vorstellungsgespräche

Graichen ist ein enger Vertrauter von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er hatte seinen Trauzeugen und Schulfreund Michael Schäfer für den Dena-Job vorgeschlagen und ihn bei der Auswahl der Kandidaten in einer Findungskommission unterstützt, so dass am Ende nur er als Personalvorschlag übrigblieb. Schäfer hat sich mittlerweile zurückgezogen und seinen Vertrag mit der Dena aufgelöst, die Stelle wurde neu ausgeschrieben.

Ein Compliance-Verstoß wurde festgestellt. Auch eine Täuschung?

In der Findungskommission saßen neben Graichen noch Wenzel als Vorsitzender und ein leitender Beamter, der im BMWK für bundeseigene Gesellschaften wie die Dena zuständig ist.

Die Frage, wie Graichen bei den Vorstellungsgesprächen am 10. März auftrat und ob er seine Freundschaft zum Bewerber Schäfer dabei verheimlichte, könnte auch nach dessen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand noch eine Rolle spielen: So prüft das BMWK nach eigenen Angaben ein Disziplinarverfahren gegen Graichen; einen „Compliance-Verstoß“ hat es bereits festgestellt.

Dabei könnte von Bedeutung sein, ob der Staatssekretär versucht hat, über seine enge Beziehung zu Schäfer zu täuschen. Ausdrücklich offen gelegt hat er sie damals jedenfalls nicht.

Das Ministerium hat Auskünfte dazu verzögert, bis sich Graichen selbst am 10. Mai vor dem Bundestag dazu erklärte. Eine Täuschung bestritt er. In der Kommission sei es bekannt gewesen, dass er Schäfer gekannt habe, wie die anderen fünf eingeladenen Bewerber ebenfalls. Vier davon duze er, was er auch in der Vorstellungsrunde getan habe – wenn auch nur „beim Reinkommen“. Während der Sitzung habe er dann alle gesiezt. Daran wiederum kann sich auch Wenzel erinnern.

6
Bewerber kamen zur Vorstellung, vier will Graichen offen mit „Du“ angeredet haben.

Ob Graichens Behauptung zutrifft, wird nun schwierig aufzuklären sein – obwohl die Beteiligten im Rahmen des Presserechts verpflichtet sind, ihr dienstliches Wissen über die Vorgänge zu offenbaren. Doch die Erinnerungen über die Vorstellungsgespräche sind abhandengekommen: „Zu Stefan Wenzel kann ich mitteilen, dass Herrn Wenzel nicht mehr erinnerlich ist, ob Patrick Graichen zu Beginn beim Hereinkommen einige Bewerber/innen geduzt hat“, teilt eine BMWK-Sprecherin jetzt mit.

Gleiches gilt für den dritten Mann: „Dem zuständigen Referatsleiter des Beteiligungsreferats ist das nicht mehr erinnerlich“, erklärte das Ministerium.

Ähnlich hatte bereits die zweite Dena-Geschäftsführerin Kristina Haverkamp reagiert, der schon vor dem 10. März nach eigenen Angaben „Gerüchte“ zugetragen wurden, dass Graichen und Schäfer Schulfreunde sind. „Frau Haverkamp hat keine Erinnerung daran, wie Herr Graichen die Bewerber bei den Vorstellungsgesprächen ansprach“, hatte die Dena auf Anfrage mitgeteilt.

Wie es aussieht, verzichtete man darauf, in der Findungskommission etwaige Befangenheiten bei der Personalwahl zu thematisieren, obwohl man darum wusste oder zumindest welche vermuten konnte. Die Vorstellungsrunde muss, wie die weiteren Sitzungen, Züge eines Schauspiels getragen haben; zumal, als alles auf den Bewerber Schäfer hinauslief.

Unklarheiten bleiben auch bei den Kenntnissen von Wenzel. Was wusste der Parlamentarische Staatssekretär, zugleich Dena-Aufsichtsrat, damals vom Verhältnis zwischen Graichen und Schäfer? Er habe weder etwas von der Trauzeugenschaft gewusst noch davon, dass beide Schulfreunde waren, heißt es. Es sei ihm bekannt gewesen, dass beide einander kennen. Doch wusste Wenzel auch um ihre persönliche Freundschaft? Dazu sagt das Ministerium weiterhin: nichts.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false