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Die AfD-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla vor einer Fraktionssitzung.

© IMAGO/Political-Moments

Update

Oberverwaltungsgericht bestätigt Vorinstanz: AfD darf als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden

Als Verdachtsfall darf die Rechtsaußen-Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Alice Weidel und Tino Chrupalla kündigen weitere juristische Schritte an.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD nach einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Damit hat das Gericht am Montag in Münster ein Urteil aus der Vorinstanz bestätigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Zum Abschluss der Berufungsverhandlung ging es um die Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit Sitz in Köln die Partei sowie deren Jugendorganisation Junge Alternative (JA) zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. In der Vorinstanz hatten die Richter am Verwaltungsgericht Köln die Bewertung 2022 so bestätigt.

Da der 5. OVG-Senat das auch so sieht, darf der Verfassungsschutz die Partei weiterhin mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Bewertungsmaßstab ist das Bundesverfassungsschutzgesetz. Der Verfassungsschutz habe bei seinen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit gewahrt, erklärte das Gericht bei der Urteilsbegründung. Das Vorgehen sei mit dem Grundgesetz, dem Europarecht und dem Völkerrecht vereinbar.

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Als nächste Stufe nach dem Verdachtsfall steht die Feststellung, dass das Objekt eine gesichert extremistische Bestrebung ist. Im Fall der JA hat das Bundesamt dies bereits erklärt und das Verwaltungsgericht Köln dies im Februar 2024 auch bestätigt. Vor dem OVG aber ging es jetzt noch nicht um diese Frage.

Chrupalla: Zweifel an Unabhängigkeit des Gerichts

Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla kritisierten das Verfahren als „politisch motiviert“ und zweifeln die Unabhängigkeit des Gerichts an. Man müsse den Zeitpunkt des Verfahrens und der Urteilsbekanntgabe berücksichtigen, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla am Montag vor Journalisten in Berlin. „Wir befinden uns mitten im Europawahlkampf, auch das zeigt, dass hier eine politische Motivation dahintersteckt, ganz klar.“

Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob das Gericht in Münster politisch unabhängig handele, sagte Chrupalla, „wenn natürlich Beweisanträge einfach so vom Tisch gewischt werden, kann durchaus Zweifel bestehen“.

Weidel verteidigte Äußerungen von führenden Parteivertretern, wie etwa dem sachsen-anhaltischen AfD-Landeschef und Bundesvorstandsmitglied Martin Reichardt. Dieser hatte bei X nach dem Urteil von „dem Establishment hörige(n) Richter(n)“ gesprochen. Sie würde diese Worte nicht wählen, könne den Frust aber verstehen, sagte Weidel.

Das Establishment seien gewisse Institutionen in diesem Staate. „Dazu gehören die Gerichte, dazu gehört der Bundesverfassungsschutz“, aber auch die Medien würden dazu missbraucht, die AfD strukturell vom Parteienwettbewerb auszuschließen.

Wir werden uns dann wohl in Leipzig wiedersehen.

Alice Weidel, AfD

Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht möglich

Man habe in Münster eine Aneinanderreihung von Formfehlern gesehen, sagte Weidel und bemängelte die Ablehnung Hunderter Beweisanträge der AfD durch das Gericht. „Und dementsprechend ist das Urteil für uns so nicht akzeptabel, und wir werden uns die nächsten Schritte sehr genau überlegen, aber wir werden uns dann wohl in Leipzig wiedersehen.“

Das Gericht in Münster hatte in seinem Urteil keine Revision zugelassen. Die AfD kann aber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen.

Weidel wiederholte ihren Vorwurf, der Verfassungsschutz sei keine unabhängige Behörde. „Hier wird eine Behörde missbraucht, um in den Parteienwettbewerb einzugreifen und die AfD strukturell zu benachteiligen. Das ist selbst verfassungswidrig und verstößt gegen unser Grundgesetz.“ Chrupalla sagte, bei der AfD sei programmatisch nichts zu finden, was verfassungsfeindlich sei. Einzelmeinungen könnten nicht in Gänze der Partei zugeordnet werden.

Faeser verteidigt Gerichtsbeschluss zur AfD

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte hingegen die Eigenständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. „Das heutige Urteil zeigt, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind“, sagte Faeser am Montag. Der deutsche Rechtsstaat habe Instrumente, um die Demokratie vor Bedrohungen von innen zu schützen. „Genau diese Instrumente werden auch eingesetzt und sind jetzt erneut von einem unabhängigen Gericht bestätigt worden“, fügte die Ministerin hinzu, zu deren Verantwortungsbereich das Bundesamt gehört.

Haldenwang: Haben „auf ganzer Linie obsiegt“

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sieht sich durch die Abweisung der Berufungsklage der AfD in seinem Kurs bestärkt. „Das BfV hat heute (...) auf ganzer Linie obsiegt“, sagte Haldenwang am Montag in Köln.

Sein Dank gehe an alle Mitarbeitenden, insbesondere auch an jene, „die wegen dieser wichtigen Arbeit aus bestimmten Kreisen öffentlich und in sozialen Medien in den vergangenen Monaten immer wieder mit Hass und Hetze überzogen wurden, denen verfassungswidriges und rechtswidriges Verhalten vorgeworfen wurde und die unerträgliche Beleidigungen aushalten mussten“. Sie alle könnten sich durch das Urteil bestätigt fühlen.

Das Bundesamt habe „zahllose Beispiele“ vorgelegt, die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Haltungen eines maßgeblichen Teils der AfD darlegten. Dazu gehörten „Hass und Hetze gegen Muslime, gegen Migranten aller Art“, so Haldenwang. Zudem gebe es Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen der AfD. (Reuters, dpa)

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