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Joe Biden (l.), Präsident der USA, und Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, bei einem Treffen in Tel Aviv im Oktober 2023.

© dpa/AVI OHAYON

Haftbefehl gegen Netanjahu : USA nehmen Israel gegen Vorwürfe in Schutz

Der IStGH hat nicht nur gegen Hamas-Führer Haftbefehle erlassen, sondern auch gegen Israel. In den USA wies man den Antrag gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant als „empörend“ zurück.

Das Vorgehen des Chefanklägers am Internationalen Strafberichtshof (IStGH) gegen Israel ist bei westlichen Verbündeten des Landes auf Kritik gestoßen. US-Präsident Joe Biden zeigte sich am Montag „empört“ über den Antrag auf Haftbefehle gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant. Vom Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, die gleichzeitige Beantragung von Haftbefehlen gegen Netanjahu und die Führung der radikalislamischen Hamas erwecke den „unzutreffenden Eindruck einer Gleichsetzung“.

„Was auch immer dieser Ankläger andeuten mag, es gibt keine Gleichwertigkeit – keine – zwischen Israel und der Hamas“, erklärte Biden. Die Vereinigten Staaten würden „immer an der Seite Israels gegen Bedrohungen seiner Sicherheit stehen“.

Auf die Frage, ob die USA die Haftbefehle gegen die Anführer der Palästinenserorganisation Hamas unterstütze, hieß es aus Washington, die USA glaubten nicht, dass der IStGH in dieser Angelegenheit zuständig sei. Weder die USA noch Israel sind Mitglied des IStGH.

Zuvor hatte bereits US-Außenminister Antony Blinken von einem „beschämenden Vorgehen“ von IStGH-Chefankläger Karim Khan gesprochen. Blinken erklärte, dies könnte jegliche Gespräche über eine Waffenruhe zwischen beiden Seiten torpedieren.

Auch aus Berlin kam Kritik an Khan. Die gleichzeitige Beantragung von Haftbefehlen gegen Führer der Hamas und Regierungsvertreter Israels erwecke den „unzutreffenden Eindruck einer Gleichsetzung“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Tatsächlich aber habe das Gericht nun „sehr unterschiedliche Sachverhalte zu bewerten“, die Chefankläger Khan in seinem Antrag ausführlich dargestellt habe, erklärte ein Sprecher in Berlin.

Was auch immer dieser Ankläger andeuten mag, es gibt keine Gleichwertigkeit – keine – zwischen Israel und der Hamas.

Joe Biden, US-Präsident

Während die Hamas-Führung ein „barbarisches Massaker“ zu verantworten habe und die Hamas weiterhin israelische Geiseln unter „unsäglichen Bedingungen“ gefangen halte sowie die Zivilbevölkerung im Gazastreifen als menschliche Schutzschilde missbrauche, habe die israelische Regierung „das Recht und die Pflicht, ihre Bevölkerung davor zu schützen und dagegen zu verteidigen“. Klar sei, dass dabei das humanitäre Völkerrecht „mit all seinen Verpflichtungen gilt“.

In der Stellungnahme des französischen Außenministeriums findet sich dagegen keine Kritik am IStGH. Stattdessen heißt es: „Frankreich unterstützt den Internationalen Strafgerichtshof, seine Unabhängigkeit und den Kampf gegen Straflosigkeit in allen Situationen.“

Israels Regierungschef Netanjahu selbst kritisierte die Beantragung eines Haftbefehls gegen ihn scharf. Er weise jeglichen von Khan gezogenen „Vergleich zwischen dem demokratischen Israel und den Massenmördern der Hamas mit Abscheu zurück“, erklärte Netanjahu.

„Mit welcher Unverfrorenheit wagen Sie es, die Monster der Hamas mit den Soldaten der israelischen Armee zu vergleichen, der moralischsten Armee der Welt?“, fragte Netanjahu. Dies sei, als wenn man während des Zweiten Weltkriegs den damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt mit Adolf Hitler moralisch gleichgestellt hätte, erklärte der israelische Regierungschef. Der israelische Außenminister Israel Katz sprach von einer „historischen Schande“.

IStGH-Chefankläger Khan hatte am Montag wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mutmaßlicher Kriegsverbrechen Haftbefehle gegen Israels Regierungschef Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Gallant sowie gegen die Anführer der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas beantragt. In seinem Antrag warf Khan Netanjahu und Gallant mutmaßliche „gezielte Tötung“, „Aushungern“ sowie „Vernichtung und/oder Mord“ im Zuge des Krieges im Gazastreifen vor.

Dem Hamas-Führer im Gazastreifen, Jahja Sinwar, sowie dem politischen Hamas-Chef Ismail Hanija und dem militärischen Hamas-Führer Mohammed Deif warf Khan „Vernichtung“ sowie „Vergewaltigung und weitere Akte sexueller Gewalt“ sowie „Geiselnahme als ein Kriegsverbrechen“ vor. Sinwar, Hanija und Deif seien „strafrechtlich verantwortlich für die Tötung Hunderter israelischer Zivilisten“ beim Großangriff auf Israel am 7. Oktober.

Chefankläger des Strafgerichtshofs sollte Israel besuchen

Khan hat nach Angaben der US-Regierung einen geplanten Besuch in Israel kurz vor der Beantragung von Haftbefehlen gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg abgesagt. Die Reise Khans nach Israel sei für die kommende Woche geplant gewesen, hieß es in einer am Montag (Ortszeit) veröffentlichten Mitteilung von US-Außenminister Antony Blinken. Dabei sollte Khan mit der israelischen Regierung eigentlich noch über die Ermittlungen sprechen und auch ihre Sicht hören.

Die Mitarbeitenden des Chefanklägers sollten demnach bereits am Montag in Israel landen, um den Besuch vorzubereiten. Dass sie nicht an Bord ihres Flugzeugs gegangen seien, habe die israelische Regierung erst erfahren, als die Anträge zu den Haftbefehlen im Fernsehen verkündet wurden. „Diese und andere Umstände stellen die Legitimität und Glaubwürdigkeit dieser Untersuchung infrage“, hieß es in der Mitteilung.

Die Richter des IStGH müssen nun entscheiden, ob sie dem Antrag auf Haftbefehle folgen. Die Beratungen darüber können Wochen oder gar Monate dauern. Sollten die Richter Haftbefehle ausstellen, müsste theoretisch jeder der 124 Mitgliedstaaten des Gerichts Netanjahu oder die übrigen Gesuchten festnehmen, sobald diese sich auf ihrem Staatsgebiet befinden. Der Internationale Strafgerichtshof hat jedoch keine Möglichkeit, von ihm erlassene Haftbefehle auch durchzusetzen. (AFP, Reuters)

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